Sonntag, 11. September 2016

Epilog

Wenn ich die Bilder betrachte und mich an die Momente erinnere, so wird mir eines klar: Das war nicht das letzte Mal, das ich so durch die Berge gefahren bin. Es fehlt ja auch noch ein Stückchen bis zum Meer...
Der große Erfolg dieser Tour hatte natürlich auch Gründe:
 - Das Wetter war unbeschreiblich gut, nicht ein Tropfen Regen, kaum eine Wolke, manchmal sogar beinahe zu warm...
 - Die Strecke führte uns durch eine der schönsten Landschaften der Alpen, meist fernab jeglicher touristischer Hochburgen, auf geniale Trails mit teilweise höchsten Ansprüchen an unsere technischen Fahrkünste ...
 - Das Material war gut, auch Tobis knackender Downhillhobel war nicht nur schwer, sondern auch sehr zuverlässig...
 - Die Unterkünfte waren sauber und bezahlbar, naja, relativ bezahlbar, aber wir müssen fair bleiben, für Hütten war das Preis-Leistungs-Verhältnis durchgehend gut. Und die letzte Unterkunft war ... unbeschreiblich...
 - Die Fitness war ausreichend, denn ich mußte nie meine persönliche Grenze überschreiten, fühlte mich immer gut, wenn auch manchmal sehr gefordert... Tobi ist über jeden Zweifel erhaben!
 - Der Partner (Tobi), der nicht nur weite Teile der Strecke geplant und die Unterkünfte reserviert hat, sondern, der auch einer Seelenverwandschaft gleich, jegliche Strapaze gelassen hinnahm, begeistert die Natur erlebte, immer motiviert und ausdauernd voranstrebte und dabei tolerant und sehr geduldig auf den "etwas" weniger fitten Partner wartete.
Wer also eine solche Tour plant und die erwähnten Gründe im Auge behält, der wird, wie wir, eine unvergessliche Zeit im Sattel verbringen. Und, wer sich immernoch fragt, warum man sein Fahrrad kilometerweise den Berg hinaufträgt, dem sei versichert, wir haben keinen Meter bereut! WARG!!!




Tag 8 - Nachtrag

Während der ganzen Tour sind wir nur sehr wenigen anderen Bikern begegnet. Mag sein, wir waren oft in für Biker sehr untypischen Gelände unterwegs (Einspruch von Tobi: das Gelände ist sehr gut für Biker geeignet!), doch das Wetter und das Naturerlebnis hätte eine größere Menge an Gleichgesinnten erwarten lassen. Vorgestern Abend, beim GuteNachtBierchen auf der Terasse des AlteAlpi lernten wir dann doch vier Biker, die auf ähnlicher Route unterwegs waren, kennen. Es handelte sich um vier Österreicher, die schon seit Jahren regelmäßig durch die Berge touren. Als wir also gestern Abend gemütlich im Liegestuhl vor unserer "FirstClass"-Unterkunft dem Reha-Etappen-Abschluß frönen, fällt eben jenes Öschigeschwader über uns her. Nein, im Erst, eine nette Truppe, mit denen wir gerne unser Mehrgängemenue geteilt haben.
Das Frühstück fällt schon fast erwartungsgemäß ähnlich üppig und qualitativ hervorragend aus, wie das Abendessen.
 Unsere Öschiabteilung ist beim Aufbruch schneller und startet den Aufstieg zum Col d'Esischie mit 10 miütigem Vorsprung, eine Lücke, die wir bereits beim ersten Zwischenstop zugefahren haben.
 Am Col angekommen befühlen wir Pilgerern gleich mit Ehrfurcht das Denkmal Fausto Coppis. In Radsportkreisen hat Coppi bereits Heiligenstatus erreicht...
Es folgt der nächste Pass, der Col del Vallonetto, nur wenige 100 Meter weiter. Uns wird klar,das wird eine wahre Col-Orgie. Beinahe in Sichtweite folgt der nächste Pass. Den Colle Fauniera ziert das Denkmal eines weiteren großen italienischen Radfahrers: Marco Pantani, der den Giro und die Tour de France in einem Jahr gewann.
 Der Col Valcavera, der nächste Kurzstop wird zur Verabschiedung unserer österreichischen Begleiter genutz. Tobi hat nähmlich eine Alternativroute erspäht - Die Ösis bleiben auf dem Wirtschaftsweg.
 Am nächsten Col, dem Col Margherina verabschieden wir uns ein zweites Mal - wir waren trotz Abstecher genau so schnell wie die Ösis. Dem Höhenweg folgend erreichen wir den Col Cologna. Kilometerlang führt uns die rauhe Schotterpiste zwischen 2400 und 2300 Metern an den Bergflanken entlang, die Aussicht, atemberaubend!
 Ein Pass fehlt noch, und anders als die meisten von heute will dieser erarbeitet werden. An einer Hütte vorbei führt der Weg anfangs über Wiesen mit weißen Kühen, später folgen wieder Geröllfelder.
 Und schließlich das furiose Finale zum Pass, ein in die Steilwand gehauener Weg...
 
Der letzte Pass, nicht nur für heute, die Tour neigt sich dem Ende, ist der Passo di Rocca Brancia mit 2620 Metern.
 Überflüssig zu erwähnen, dass die Abfahrt wieder durchgehend fahrbar und furchtbar spannend ist. Erschwert wird der Spaß durch loses Geröll, das alle Konzentration fordert. Bei einer steilen Querpassage passiert es dann. Die Erschöpfung fordert ihren Tribut. Ein beherzter Sprung über den Lenker und, dank gutem Schuhwerk, rutschend, rennend, und schliddernd ohne Sturz und ohne Rad vorsichtig abbremsen. Jetzt geht es deutlich respektvoller weiter, ich bin gewarnt!
 Um Bremsen und Finger abkühlen zu lassen, werden jetzt regelmäßig Pausen eingebaut...

 Die Straße ist bereits in Sicht als ein letzter sehr steiler Wald- und Buschtrail unsere Aufmerksamkeit fordert. Wildwechsel und Kuhpfade lassen uns den richtigen Trail verlieren. Plötzlich stehen wir auf einer Wiese ohne "Ausgang". Kein Problem, wir kurven ein bisschen zwischen den Büschen talwärts dann noch einen Abhang und die Straße ist erreicht . Tobi fragt mich, ob ich meine Bremse überhaupt benutzt habe, denn an meinem Bremsgriff hängen Spinnweben und ... eine Spinne, riesig.
 Wir überqueren die Straße und fahren auf einem Wirtschaftsweg ... bergauf, was sonst, nuf un nunner! Alternativ wäre die Straße gewesen mit Tunnel und Verkehr, also, keine Alternative. Jede Steigung hat ein Ende, wir passieren ein Waldheim ind stürzen uns in einen Spitzkehrentrail. Tobi nimmt das wörtlich und wälzt sich kurze Zeit später in einem Oreganobusch. Die Zeichen sind klar: Unsere Speicher sind leer. Wenn wir jetzt weiterfahren müssten, wäre eine deutliche Änderung der Fahrweise nötig. Daß wir heute abbrechen, ist ... WARG!
Im nächsten Ort finden wir eine kleine Trattoria, die uns "nur" ein paar Gnocchi mit Fleischsauce anbieten kann... WARG! Dass vor der Weiterfahrt noch 2 (!) Reifen geflickt werden müssen, nehmen wir stoisch. Ein letzter Aufstieg, dann der Abspann nach Sambuco, Geli, unser Taxi, wartet schon...

Tag 7 - Nachtrag

Jeder Tag ein Highlight? Mangels besseren Wissens deklariere ich den längsten Aufstieg am Stück als Highlight (?), 1400 Hm, allerdings auf Asphalt und damit recht angenehm. Erschwert wird der Aufstieg jedoch dadurch, daß des Frühstücksbuffet reichhaltig ist und wir mit vollem Magen starten...
Schließlich erreichen wir den Pass, unspektakulär, und Tobi schlägt vor, einen Abstecher in ein kleines Bergdorf zu machen, für ein kleines Mittagessen - der heutige Tag steht unter dem Motto "Rehabilitation". Über einen Wiesentrail geht's nach Elva Serre. 
Im Ort angekommen wechsle ich meine völlig durchnässten Klamotten - es ist ziehmlich warm - und wir werden Zeuge eines seltsamen Spektakels: Schlag 12 tauchen zwei Hunde auf, die mit dem Klockenläuten um die Wette jaulen, um beim Verstummen der Klocken wie auf Komando wieder zu verschwinden, faszinierend...
Anschließend müssen wir eine Rampe (260Hm) rauf, die so steil ist, daß ich sie größtenteils schiebe (Reha-Etappe?). Doch die Mühe hat sich gelohnt. Es folgt das eigentliche Highlight des Tages. Vom Col Giovanni mit dem Torre San Giovanni führt ein Trail nonstop über 900 Hm ins Tal durch unzählige Vegetationsarten und Landschaften. Nadelwälder, Laubwälder, Wiesen, Felsen, Steppen, Urwald und Gebüsch wechseln sich in so rascher Folge ab, dass man leicht die Orientierung verlieren kann. Der Trail ist flowig, ausgesetzt, anspruchsvoll und wunderschön, ein Highlight eben!
Im Tal angekommen brennt der Bremsfinger und der Puls ist eines heftigen Aufstieges würdig. Es war die vielleicht schönste Abfahrt der Tour. Es folgt ein Aufstieg auf Straße mit nur wenig Verkehr, die Hitze setzt mir zu. Nach 400 Hm erreichen wir unsere Unterkunft, ein Bed & Breakfast der besonderen Art. Das Tapa Arata ist wunderschön gelegen, einsam und ruhig mit sehr freundlichen und zuvorkommenden Gastgebern... Der Reha-Tag nimmt Gestalt an.
Ein kleines Problem, allerdings, scheint es zu geben. Wir können kein Restaurant weit und breit ausmachen. Ich gehe also zum Gastgeber und frage vorsichtig nach: "Wo kann man denn heute Abend ein kleines Dinner zu sich nehmen?" "Um 7 Uhr!", ist die prombte Antwort. Das wäre geklärt.
Was wir dann am Abend zu essen bekommen sprengt unsere Vorstellungskraft. Ein Bed&Breakfast mit einem Abendmenue, das sich hinter keinem Restaurant der gehobenen Gastronomie verstecken muß. Wir sind Begeistert und sprachlos (Antipasti, Primo und Secondo, und Dolce natürlich auch). WARG!!!